Ich bin froh um die vielen Diskussionen rund um Koryû etc. auf den diversen Kanälen im Netz. Gibt es mir doch die Möglichkeit, hier über Themen zu schreiben, welche die Leute offensichtlich beschäftigen.
Ein solches Thema ist Marketing, sprich Werbung.
Mir ist bekannt, das Werbung und dergleichen im modernen Budô an vielen Orten geradezu verpönt ist. Dies geht einher mit der neuzeitlichen Definition von Budô, dass man sich nicht über andere stellt und Gleichheit pflegen sollte. Eine sehr typische Eigenschaft, welche eigentlich erst nach dem 2. Weltkrieg und während der US-amerikanischen Besatzungszeit in das Bûdo einfloss.
Da verschiedene Koryû mehr oder weniger stark von Gendai Budô beeinflusst sind, ist es nur natürlich das sich diese Sichtweise dort eben auch entsprechend ausbreitet.
Was ist Marketing? Zuerst einmal ist es in der Geschäftswelt ein Werkzeug um Waren und Dienstleistungen an den Mann zu bringen oder dafür zumindest Nachfrage zu generieren. Auf einem andern Level würde ich es aber auch so definieren, dass man damit etwas, was einem selbst Freude bereitet einem grösseren Publikum bekanntmachen kann. Und das ist zumindest eine sehr ehrliche Form des Marketing, denn man ist persönlich mit der „Ware“ auf einer emotionalen Ebene stark verbunden.
Heutzutage sind die Möglichkeiten für Werbung nahezu grenzenlos. Kein Dôjô, keine Schule ohne eine eigene Webseite. Bei einigen hört da das Marketing allerdings schon wieder auf. Das ist sicher völlig ungenügend.
Werfen wir einen Blick zurück: In Japan haben die meisten Schulen schon immer viele verschiedene Formen des Marketing genutzt um sich von der Konkurrenz abzuheben. Ohne ging es einfach nicht!

Das ging vom überdimensionalen Holzbrett, welches mit dem Schulnamen beschriftet vor dem Eingang hing über Trainingsduelle bis zu Duellen gegen andere Schulen auf Leben und Tod. Ja, eine schreckliche Sache, was!? Neutral betrachtet war das aber eine äusserst effektive Form des Marketing und selbstverständlich auch eine überaus gefährliche. Denn niemand konnte garantieren, dass man nach dem Kampf von diesem Marketing überhaupt noch profitieren konnte…
Zu jeder Form von (gutem) Marketing gehört immer auch eine Portion Alleinstellungsmerkmal. Logisch. Warum sollte eine Koryû auch öffentlich verlauten lassen, das alle anderen Schulen (im Sinne der Gleichheit) genau dasselbe „bieten“??? Nochmal zum rekapitulieren: Die verschiedenen Ryûha sind nirgends einer übergeordneten Autorität verpflichtet (wie z.B. im modernen Budô, wo es übergeordnete Verbände und Organisationen mit ihren Regularien gibt). Jede Schule ist für ihr Wachstum und Weiterkommen selbst verantwortlich.
Gerade in der heutigen Zeit, wo „political correctness“ auf allen Ebenen angesagt ist, mag es durchaus verwundern, wenn eine Schule selbstbewusst auftritt und ihre Philosophie gegenüber anderen Koryû vertritt. Selbstverständlich steht diese Herangehensweise aber allen offen und es liegt in der Hand der jeweiligen Oberhäupter dies auch zu tun, ganz ohne falsche Bescheidenheit.
Ganz wichtig: Keine Schule besteht nur im Internet! Das ist lediglich ein Werkzeug, welche manche ein bisschen geschickter handhaben als andere.
Gute, nachhaltige Werbung einer Schule schliesst aber wesentlich mehr ein, was aber auch mit mehr Aufwand verbunden ist.
Z.B. qualitativ hochwertiges Werbematerial, welches kurz und prägnant formuliert ist oder auch so eine (in europ. Augen) „Nebensächlichkeit“ wie Visitenkarten für die Schulverantwortlichen. Gerade wenn man sich im japanischen Umfeld bewegt, kann eine ansprechende Visitenkarte nicht hoch genug eingeschätzt werden!
Die grösste Wirkung erzielt man aber in der heutigen Zeit ohne Frage mit guten Enbu vor Publikum. Hier kann man sich über die Qualität der Schule definieren und dies auch direkt vermitteln! Und wenn dann noch die Örtlichkeit ansprechend ist (z.B. in Japan) oder interessante Gäste anwesend sind, ist das mit Sicherheit hervorragendes Marketing in eigener Sache.
Es gibt durchaus einige Beispiele von Koryû welche ihren Namen gut und selbstbewusst vertreten (und dazu gehört eben, die eigenen Methoden und Philosophien hervorzuheben).
Wichtig ist, dass Schulen nicht in eine Art Dämmerzustand verfallen, weil sie sich womöglich auf alten Lorbeeren ausruhen.
Zusammenfassend kann man sagen, das gutes, selbstbewusstes Marketing nicht vom Himmel fällt sondern mit erheblichem Aufwand und Arbeit verbunden ist, und sicher nichts „böses“ ist, wie man das hie und da zwischen den Zeilen lesen kann.