Hier mal ein, durchaus vergnüglicher, Blick auf die japanische Sprache und wie sich auch heute noch zahlreiche Wörter und Redewendungen mit Bezug zu Schwertern erhalten haben.
Gerade für die Ausübung von Koryū-bujutsu (und als Mitglied einer Ryūha) ist es hilfreich, gewisse Japanisch-Kenntnisse zu besitzen.
Dasselbe mag durchaus auch für Gendai-Budō, die modernen Kampfkünste, gelten. Allerdings ist es bei diesen heute meist als Sport praktizierten Künsten kaum mehr notwendig, sich fundiertes Wissen über Geschichte und kulturelle Gepflogenheiten anzueignen. Bei vielen klassischen Schulen ist das jedoch oft Bestandteil des Curriculum und daher sind Sprachkenntnisse von grossem Vorteil.
Der Bushi-Stand prägte Japan und seine Kultur über einen Zeitraum von rund tausend Jahren. Das Schwert erhielt jedoch erst relativ spät seine mythologische Bedeutung, dann aber umso mächtiger.
Davon zeugen auch heute noch zahlreiche Beispiele in der japanischen Sprache, von denen ich hier einige der Interessantesten und auch Skurrilsten etwas näher erläutere:
真剣 – Shinken
Die Bedeutung dieses Wortes ist eindeutig. Es heisst einfach nur „echtes Schwert“ und steht im Gegensatz zum hölzernen Übungsschwert. Der durchschnittliche Japaner hat mit echten Schwertern etwa so viel zu tun wie der durchschnittliche Westler. Heute wird dieses Wort jedoch benutzt, um die Ernsthaftigkeit eines Unterfangens zu verdeutlichen.
真剣勝負 – Shinken-shōbu
„Shōbu“ kann mit Kampf oder Auseinandersetzung übersetzt werden. Und mit dem vorgängigen „Shinken“ dürfte auch hier die ursprüngliche Bedeutung offensichtlich sein: Ein Kampf mit echten Schwertern bzw. ein Kampf auf Leben und Tod. Und heutzutage wird damit ausgedrückt, das absolut Beste in einer Situation (wie z.B. einer Prüfung) zu geben, um den Sieg davon zu tragen.
反りが合わない – Sori ga awanai
Bleiben wir noch beim Schwert als Objekt. Japanische Klingen besitzen meist eine charakteristische Krümmung welche „Sori“ genannt wird. Diese Krümmung ist in keiner Weise standardisiert, sondern Resultat des Schmiedeprozesses bzw. des Abschreckens des Rohlings. Deshalb müssen Schwertscheiden (Saya) vom Saya-Macher anhand jeder einzelnen Klinge individuell gefertigt werden.
Die Redewendung bedeutet wörtlich: Die Krümmung (des Schwertes) passt nicht (zu einer anderen Saya). Umgangssprachlich drückt man damit aus, dass man sich mit einer anderen Person nicht verträgt und eben „nicht zusammenpasst“.
鞘当て – Saya-ate
Wenn wir gerade von der Schwertscheide sprechen… Die Schwertetikette besagt, dass unter keinen Umständen die eigene Saya mit der anderer Träger zusammenstossen darf. Passierte es trotzdem, führte dieser Fauxpas nicht selten sofort zu einem Duell. Im übertragenen Sinne besagt diese Redewendung also, dass sich Streitereien aus Nichtigkeiten ergeben können.
Eine spezielle und relativ neue Bedeutung bzw. Umdeutung findet sich in der Bezeichnung „Koi no Saya-ate“, also Liebes-Saya-ate. 😉
Damit wird eine Situation beschrieben, wo sich zwei Männer um eine Frau streiten.
Bleiben wir doch noch bei Liebesangelegenheiten…
両刀使い – Ryōtō tsukai
Während „Ryōtō“ einfach „zwei Schwerter“ bedeutet, ist „tsukai“ das Verb für „gebrauchen, nutzen“ was uns dann zum Fechter mit zwei Schwertern bringt. Die simultane Nutzung zweier Schwerter (hier ist gemeint das Lang- und Kurzschwert) ist in der japanischen Kampfkunstgeschichte eher eine Kuriosität. Einige klassische Schulen der Kriegskunst haben in ihrem Curriculum tatsächlich wenige Kata, welche dies lehren. Die bekannteste ist sicher Hyōhō Niten Ichi-ryū, welche durch Miyamoto Musashi in der frühen Edo-Periode geschaffen wurde.
Zudem gibt es im modernen Kendō einige wenige sogenannte „Nitō-ryū“-Kendōka. Mit zwei Shinai simultan zu kämpfen kam in den 1920/30er-Jahren in Universitätskreisen auf, stiess aber nie auf grosse Akzeptanz und das blieb bis heute so. Anmerkung: Die Nitō-ryū Kendō-Praxis hat keinerlei technische oder historische Verbindung zur Hyōhō Niten Ichi-ryū.
Dieser kurze historische Abstecher sei mir verziehen! Der Leser möchte sicher lieber erfahren, wie wohl der moderne umgangssprachliche Gebrauch von „Ryōtō tsukai“ ist.
Der Begriff kann bedeuten, dass jemand gleichzeitig ein Experte auf zwei verschiedenen Gebieten ist. Dafür hat sich heute jedoch meist „Nitō-ryū“ als Umschreibung etabliert.
„Ryōtō tsukai“ wird heute tatsächlich benutzt, um damit auszudrücken, dass eine Person bisexuell ist!
助太刀 – Sukedachi
Dieses Wort ist wieder eindeutig, heisst es doch nichts anderes als „helfendes Schwert“. Früher wurde eine Person als Sukedachi bezeichnet, der mit seinen kämpferischen Fähigkeiten jemanden bei einer Racheaktion oder dergleichen aktiv unterstützte.
Und heute ist es eben ein Beistand der Unterstützung bietet. Und sei es nur das Schleppen von Umzugkartons!
一刀両断 – Ittō Ryōdan
Das ist eine sehr interessante Redensart, da in einigen Schulen des Koryū-bujutsu tatsächlich Kata existieren, welche genau diesen Namen tragen (ja, in der Hokushin Ittō-ryū Hyōhō zum Beispiel!). Wörtlich bedeutet es, etwas mit einem grossen Schnitt in zwei Teile zu trennen. Wahrscheinlich sind sich heute viele Japaner gar nicht mehr bewusst, was die tatsächlich Bedeutung dessen ist…
Genutzt wird die Redewendung heute, um eine wichtige, bisweilen drastische Entscheidung mit grosser Tragweite zu beschreiben.