Über Yoroi

Links: Ōtsuka Ryūnosuke Masatomo, 7. Sōke der Hokushin Ittō-Ryū Hyōhō
Rechts: Stehli Martin Masamoto, Kajō-Mokuroku
Auf meiner fünfstündigen Heimfahrt, welche mir auch noch einen Schneesturm in Bayern bescherte, hatte ich genug Zeit über meine Erfahrungen während den vergangenen zwei Tagen nachzudenken.

Am vergangenen Wochenende war ich wieder zwei Tage lang im Chiba-Dōjō (Honbu) der Hokushin Ittō-Ryū Hyōhō für ein privates Kaichō-Seminar mit dem siebten Sōke der Schule, Ōtsuka Ryūnosuke.

Dieses Mal fokussierten wir uns fast exklusiv auf den Yoroi-Lehrplan unserer Schule. Zuerst ging es natürlich darum, wie man die Rüstung korrekt anzieht und trägt. In der Tat ist dies wesentlich unkomplizierter als die meisten denken mögen, es ist sogar möglich sie ohne Hilfe selbst anzuziehen. Dazu ist natürlich einige Routine nötig. Ryūnosuke-Sōke hat alle Teile mit grosser Detailkenntnis erläutert.

Das für mich persönlich erstaunlichste Teil der Yoroi ist die Menpō (Gesichtsmaske), welche die Gesichtszüge und damit die Emotionen des Trägers komplett verbirgt. Natürlich bleiben die Augen frei, aber selbst diese sind teilweise verdeckt durch das Mae-zashi (Krempe des Kabuto). Daher ist es nahezu unmöglich den Feind zu „lesen“, denn inmitten der Schlacht wird man wohl nie einen guten, tiefen Blick in die Augen des Gegners erhaschen können.
Das macht die Lehre der ersten der zwölf Jūni-Kajō, Futatsu no Metsuke no Koto (allumfassender Blick auf den Gegner), so wichtig.
Zusammenfassend gesehen kann man sagen, dass es eine fesselnde Erfahrung ist, wenn einem der Kontrahent in voller Yoroi gegenübersteht…

Eine komplette Rüstung wiegt um die 20 kg, abhängig vom Design und der Ausführung. Das ist auch das ungefähre Gewicht der Yoroi welche wir trugen.
Eindrucksvoll, wie gut es sich nach einigen Minuten anfühlt die Yoroi zu tragen. Nichts behindert mich oder verunmöglicht mir eine Bewegung. Gewiss hat dies hauptsächlich damit zu tun, wie akkurat man die Rüstung anlegt. Es ist unerlässlich, dass sie auf der Koshi (Hüfte) getragen wird.

Zuerst haben wir an den Gogyō-no-kata der Hokushin Ittō-Ryū Hyōhō gearbeitet und Ryūnosuke-Sōke hat mich aufgefordert, ganz genau auf die korrekten Winkel der Angriffe und Konter zu achten.
Und da war es… alles fügte sich zusammen! Wenn die Kata sauber und kraftvoll ausgeführt werden so wie sie seit Jahren unterrichtet werden, dann wird es einem Hokushin Ittō-Ryū Fechter ein leichtes sein, genau in die Schwachpunkte der Yoroi zu gelangen. Und nicht vergessen: All das mit den geradlinigen Ashiwaza und Kamae unserer Schule.

Einige Beispiele:

– Jōdan-no-kamae funktioniert wie üblich (siehe das Maedate auf meinem Helm) ohne irgendwelche Änderungen. So wie alle anderen Kamae auch.
– Suri-ashi gibt genug Stabilität und ich sehe keinen Bedarf für einen besonders tiefen Stand um das Gewicht der Yoroi auszubalancieren, schliesslich trägt man die Rüstung auf der Hüfte was sie wirklich angenehm und leicht tragen lässt. Natürlich muss man immer die Beschaffenheit des Untergrunds kalkulieren und daher den Stand gegebenenfalls anpassen, aber das ist nur natürlich.

Die Gogyō-no-kata sind wirklich der ideale Teil unseres Curriculums wenn man beginnt mit der vollen Yoroi zu trainieren, da es unmittelbaren Einblick in die Anwendbarkeit gibt.

Später wechselten wir zu Naginatajutu und auch hier hat Ryūnosuke-Sōke wertvollen Input gegeben und viele Details erklärt betreffend der Einsatzfähigkeit der Waffe in Bezug zur Yoroi.
Auch hier konnte ich sehen, dass alles Hand in Hand geht und es war eine Freude die Naginata auch in voller Rüstung zu benutzen!

Im Vorfeld war ich wirklich sehr neugierig (natürlich nicht skeptisch 🙂 ) ob alles, was ich die vergangenen Jahre gelernt hatte, auch tatsächlich in Yoroi funktioniert und anwendbar ist so wie es in der Theorie immer gelehrt wurde.
Nach diesen beiden Tagen kann ich rückhaltlos bekräftigen, dass dem so ist!

Aber, und das ist nun der Knackpunkt beim Ganzen, es ist zwingend notwendig den Lehren und Instruktionen des Lehrers von Beginn an exakt zu folgen. Der Yoroi-Einsatz in der Hokushin Ittō-Ryū Hyōhō beispielsweise ist bereits in den grundlegenden Gogyō-no-kata ein integraler Bestandteil. Das darf man nie vergessen.

Meiner Meinung nach gibt es keine Unterscheidung zwischen verschiedenen Schulen nach dem Motto: Das ist Katchū-bujutsu (Rüstungskampf) und das ist Suhada-bujutsu (Kampf in Zivilkleidung).
Keine klassische Ryūha hatte je den Luxus sich lediglich auf das eine zu fokussieren und das andere zu verwerfen. Alle Techniken müssen zwingend wechselseitig anwendbar sein. Schwertkämpfer vieler Schulen haben in der Bakumatsu-Periode Yoroi getragen und darin gekämpft. D.h. alles ist von der Vollständigkeit der Lehren der jeweiligen Schule abhängig.

Nun freue ich mich bereits auf die nächste Trainingseinheit in Yoroi!


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