Der Titel dieses Beitrags hat eine einfache Bedeutung: Die eigene Schule beschützen (bewahren, verteidigen).
Dieser Satz kann unterschiedlich verstanden werden. Zuerst einmal sollte die eigene Ryûha gegen äussere und innere Bedrohungen geschützt werden.
Zum Zweiten bedeutet es aber auch: Wenn die verschiedenen Schulen alles daran setzen, ihre EIGENE Schule zu vergrössern und engagierte Schüler nachzuziehen, muss man sich um den Erhalt der Koryû (in ihrer Gesamtheit) keine Sorgen machen.
Gerade dieses zweite Verständnis des Satzes „jibun no ryûha o mamoru“ wird in gewissen Koryû-Gruppen in sozialen Medien teilweise als egoistisch und engstirnig wahrgenommen. Aber ist es das tatsächlich?
Ich möchte hier mal kurz meine Argumentation darlegen:
Wenn die eigene Schule an erster Stelle steht, heisst dass dann, das man sich nicht für andere Schulen interessiert? Nein, natürlich nicht! Dieser Vorwurf ist aber unterschwellig (und oft auch nicht so unterschwellig) vorhanden.
Ich finde es durchaus spannend, andere Schulen zu sehen und zu entdecken, wie diese mit Situationen eventuell anders umgehen als wir. Allerdings hat dieses Bedürfnis, dauernd neue Koryû-Videos zu suchen und anzuschauen, erheblich nachgelassen. Hauptsächlich aufgrund einer Mischung aus Zeitmangel und „Reizüberflutung“.
Zeitmangel, weil man neben Arbeit, Familie und Freundschaften pflegen sich ja in der eigenen Schule anstrengen und Neues lernen muss. Natürlich kommt auch einiges an Schreibarbeit und Administration auf einen zu. Und wenn dann noch etwas Zeit übrig bleibt, stehen Koryû-Videos wirklich nicht zuoberst auf der Liste um mal abzuschalten…
Reizüberflutung, weil es vor einigen Jahren vielleicht alle paar Monate mal ein neues Video einer Schule gab. Heutzutage erscheinen die fast schon wöchentlich… Und irgendwann hat man wirklich praktisch alle Schulen gesehen. Es sollte auch langsam bekannt sein, das die Schulen nicht für jedes Enbû ein neues, super-spannendes Action-Programm aus ihrem gesamten Curriculum zusammenstellen. Nein, es sind prinzipiell immer in etwa die selben (Omote-)Kata. Für Neulinge ist das alles natürlich extrem spannend. Für mich (und vielleicht andere die das schon lange kennen) nicht mehr so sehr.
In den genannten sozialen Medien setzt sich seit geraumer Zeit die Meinung fest, dass all diese Koryû ohne Ausnahme für die Nachwelt erhalten werden müssen. Reflexartig möchte man dem natürlich zustimmen! Nur: Wie soll dieses noble Ziel erreicht werden? Gemäss Meinung einiger ganz einfach: Es muss einfach genug Filme darüber geben.
Im bayerischen Rundfunk gibt es seit Jahren eine wirklich tolle Sendereihe: Der Letzte seines Standes. Darin werden alte Handwerke und die Wenigen, die sie noch ausüben, vorgestellt. Daran habe ich mich bei all den Diskussionen wieder erinnert und mich gefragt, ob diese Handwerke nun alle Dank des BR überleben werden. Höchstwahrscheinlich nicht. Es sind einfach Dokumentationen, die nett anzuschauen sind.
Also: Macht es mich betroffen wenn andere Koryû aussterben? Nein, eigentlich nicht. Klingt schrecklich, was? Gut so!
Denn es liegt allein in der Verantwortung jeder einzelnen Schule, ob sie überlebt oder nicht und ob sie neuen Schülern dieses „Feuer“ vermitteln kann oder nicht. In der langen Geschichte der Bujutsu Ryûha stellen übrigens die heute noch Existierenden fast schon die Ausnahme dar. Denn das Aussterben ist wesentlich schneller bewerkstelligt wie das sichere Überleben.
Ja, von der historischen Perspektive her gesehen mag es schade sein, wenn Schulen verloren gehen. Aber was kann ich oder jeder andere denn dagegen tun, ausser ein paar hübsche Videos anschauen? Vielleicht noch zwei, drei andere Schulen so nebenbei lernen? Bevor man jetzt begeistert JA! ruft, sollte man noch kurz an die eigene Ryûha denken. Hat man da wirklich nichts mehr zu lernen? Hat man da kein Gefühl der Zugehörigkeit mehr?
Nicht mal das Überleben der eigenen Schule kann garantiert werden, geschweige denn das Überleben aller.
Nicht falsch verstehen, ich propagiere mit Sicherheit nicht, dass keine Filme über Koryû mehr gemacht werden sollen. Es wäre einfach gut, wenn die Relationen etwas gewahrt blieben und sich Leute bewusst machen, WARUM und WIE Schulen überleben oder zugrunde gehen. Und das gesunde Weiterbestehen hat eben rein gar nichts mit Youtube-Videos zu tun.
Fazit: Nicht versuchen, alle Koryû da draussen erhalten zu wollen… versuch es mit einer und bleib dabei. Viel Glück.
Anmerk.: Da sich lange nicht alle in diesen sozialen Medien bewegen aber sich für das Thema interessieren, habe ich mich entschlossen, hier nüchtern meine Sicht der Dinge darzustellen.