Eines der zentralen Konzepte im Iai ist das des „kasô teki“. Die Kanji dazu sind: 仮想敵
Den Begriff 仮想 (kasô) kann man übersetzen mit: Annahme, Vorstellung, potenziell. 敵 (teki) bedeutet: Feind, Gegner oder auch generell Bedrohung.
Das ergibt zusammengesetzt dann also den „vorgestellten Gegner“ oder den „imaginären Feind“. Eigentlich ganz simpel… Oder doch nicht?
Ein Manko im Iai ist, dass man hauptsächlich alleine arbeitet (das muss nicht ausschliesslich ein Manko sein, wird aber manchmal so wahrgenommen). Darum sollten Partnerübungen eine Selbstverständlichkeit sein. Dies kann frei sein oder auch im Rahmen der „Kumitachi“ um zu fühlen wie nah ein Gegner und dessen Schwert eigentlich ist. Trotzdem ist es notwendig sich intensiv mit diesem Konzept auseinanderzusetzen. Denn ohne es bleiben alle Kata und Bewegungen IMMER nur leblose Form. Und genau DAS sollte es ja nicht sein.
Meine Idee von „kasô teki“ ist allerdings nicht, sich einfach ein Gegenüber (sozusagen als „Dummy“) vorzustellen um die eigenen Schnitte präziser ausführen zu können. Das ist für mich erst der „Einstieg“ in dieses Konzept und nur ein kleiner Teil des Ganzen. Daher gibt es meiner Meinung nach auch diverse Level des „kasô teki“.
Für mich tritt man mit diesem Gegner in eine Beziehung. Denn auf seine Aktionen und Bewegungen müssen wir reagieren! Das heisst allerdings auch, damit zu „spielen“. Manchmal steht oder sitzt der Gegner in einem etwas anderen Winkel, manchmal mag er etwas weiter zurückweichen, manchmal wird er seinen Angriff schneller als gedacht ausführen, usw… Wenn man seine Kata nicht entsprechend variieren kann, macht man kein Iai. Ich meine damit allerdings NICHT, dass man Kata verändern sollte! Und das variieren muss auch nicht unbedingt für Zuschauer offensichtlich sein. Man selbst muss aber fähig sein, in einer Kata gewisse Akzente verändern und auch fühlen zu können.
Hat man das verstanden sollte klar sein, dass eine immer gleiche Choreographie nicht nur sehr langweillig ist sondern auch völlig am Gehalt des Iai vorbeigeht: Auf Unvorhergesehenes richtig reagieren zu können.
Eine zusätzliche Stufe ist auch die Vorstellung, dass wenn ich an der falschen Stelle schneide, ich folglich getötet werde!
Hier ein Bild, um zu zeigen wie man sich das in etwa vorzustellen hat. Allerdings sehe ich in diesem Bild eigentlich nur einen „Dummy“ um das Schneiden an sich zu üben. Dies würde ich als das unterste Level dieses Konzeptes bezeichnen.
„Kasô teki“ ist wohl das wichtigste der verschiedenen Konzepte im Iai aber man kann es nicht losgelöst von anderen (z.B. Metsuke, Hasuji, usw…) betrachten.