Bushidô – Wieso? Weshalb? Warum?

Jeder, der sich ernsthaft mit den klassischen japanischen Kampfkünsten befasst und bemüht ist, sein Wissen stetig zu erweitern, muss diesen Begriff eigentlich hassen. Denn er beschreibt etwas, das es so, wie es heutzutage „vermittelt“ wird, gar nie gab. Aber alle wissen ganz genau, was damit gemeint ist….

Spätestens hier jaulen die allermeisten Budôka auf: Mein Lehrer (oder „Trainer“) hat doch gesagt das Bushidô ganz, ganz wichtig sei! Oder: Ich hab es doch selbst gelesen, sogar Samurai haben darüber geschrieben!

Das Problem dabei ist, dass selbst die meisten Lehrer sich nie persönlich mit der Thematik auseinandergesetzt haben und die üblichen Mythen übernommen haben und diese nun so weitergeben. Und es reicht bei weitem nicht, die vermeintlich einschlägige Literatur dazu zu lesen (Hagakure, Gorin-no-sho, Budô Shoshin-shû), wenn man diese Literatur nicht in einen weitergehenden historischen und kulturellen Zusammenhang bringen kann.

Was ist denn nun der Stand der Forschung?

In der japanologischen Forschung der vergangenen 15 Jahre wurde zu diesem und verwandten Themen eigentlich recht viel veröffentlicht. Nun ja, „veröffentlicht“ heisst hier natürlich nicht, dass solche Bücher zuoberst auf der Amazon-Bestsellerliste stehen…wenn sie denn überhaupt dort zu beziehen sind. Und solche Literatur muss man auf Deutsch schon gar nicht suchen. Es ist oftmals eben wissenschaftliche Literatur und allermeistens nur auf Englisch. Dies sind schon mal zwei Argumente, warum sich sehr viele Budôka in unseren Gefilden nicht damit befassen wollen.

Hier ist eine sehr aktuelle Dissertation aus Canada zu dem Thema. Sie zeigt hervorragend auf, wie dieser Begriff, dessen Inhalt jeder zu kennen scheint, wirklich erst NACH der Öffnung Japans im Jahre 1868 (d.h. in der Meiji-Zeit) geprägt und mit vielen unterschiedlichen Ideen versehen wurde.

Dissertation: Bushido-Creation of a martial spirit in Meiji Japan

Unter Wissenschaftlern besteht heutzutage eigentlich Einigkeit darüber, dass es eine historische „Samurai-Ethik“, welche diese gesamte Klasse umfasste, nie gab. Was es gab, waren lokal begrenzte „Hausregeln“ welche auch oft niedergeschrieben wurden. Einige davon brachten es sehr viel später zu beträchtlichem Ruhm (z.B. das Hagakure). Allerdings waren diese nie gedacht, um für alle Bushi „universell“ zu gelten.

Es gibt natürlich noch weitere Autoren. Zum Beispiel Dr. Karl F. Friday. Er ist in der „Szene“ schon beinahe Kult. Ein Wissenschaftler mit zum Teil auch gewagten Thesen, aber eben auch ein Praktiker, der eine Lehrbefähigung der Kashima-shin-ryû besitzt. Bushidô ist nicht sein Hauptstudiengebiet, obwohl er dazu auch schon veröffentlicht hat. Sein Gebiet ist die Bushi-Kultur des japanischen Mittelalters (Kamakura/Muromachi-Zeit). Und seine Bücher sind sogar bei Amazon zu bekommen! 🙂


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